Nutzung von Erdgas- und Erdölinfrastrukturen sowie Raffinerien für strombasierte Brennstoffe

Definition des Technologiefeldes

Bestehende Infrastrukturen für Erdgas und Erdöl haben sich im Laufe der Zeit entwickelt und etabliert (Förderinfrastruktur, Transportleitungen, Schiffswege, Raffinerien, Tankbehältnissen etc.). Mit der Energiewende werden andere Energieträger die fossilen Kraft- und Brennstoffe in den Sektoren Wärme und Verkehr ersetzen. Es bedarf jedoch auch weiterhin einer Infrastruktur für strombasierte Gase und Fluide, allerdings mit anderen Eigenschaften und anderen Ausmaßen. Für die Infrastrukturen wird jeweils nach Art der Kraft- und Brennstoffe untersucht, ob und wie die bestehenden Infrastrukturen weiterhin genutzt werden können und wo ggf. Forschungsbedarf für eine künftige Nutzbarmachung besteht.

Aktueller Stand der Technologie

Infrastrukturen für Erdöl und flüssige Kraft- und Brennstoffe
Etwa 80 % des deutschen Rohöl-Imports erfolgt über Ölpipelines, die übrigen 20 % erfolgen über Schiffsimporte. Die Gesamtlänge der Import-Rohöl-Fernleitungen in Deutschland beträgt etwa 2.000 km mit einer maximalen jährlichen Beförderungskapazität von bis zu etwa 200 Mio. t ROE (Rohöleinheiten). Darüber hinaus existieren 6 Pipelines, welche Mineralölprodukte in Zwischenlager oder zur Weiterverarbeitung transportieren. Rohöldestillationsanlagen (Raffinerien) existieren an 13 Standorten, sie hatten 2016 eine Kapazität von 102 Mio. t ROE. Die aktuell existierenden Mineralöltanklager in Deutschland mit Kapazitäten von jeweils über 1.000 t ROE können in Summe rund 63 Mio. t ROE fassen. Die Versorgung von Kraftstoffen für den Straßenverkehr erfolgt durch Tankwagen, die entsprechend für diesen Gütertransport ausgelegt sind. Sie versorgen die heute etwa 14.510 Tankstellen in der Bundesrepublik mit Ottokraftstoffen und Diesel. Von den neuen strombasierten Flüssig-Kraft-/Brennstoffen, welche die vorhanden (Erdöl-)Infrastruktur künftig nutzen sollen wird hier auf Ethanol, Methanol und Fischer-Tropsch-Rohöl fokussiert. Ethanol-Mischungen bis hin zu reinem Ethanol können in Fahrzeugen mit gleicher Tankkodierung wie Benzin und Diesel transportiert werden. Es ist zu erwarten, dass ein bedeutender Teil des strombasierten Ethanols aus dem Nahen Osten und Nordafrika stammen wird. Die Versorgung würde mittels Schiff erfolgen und in 2050 bis zu etwa 12 Tankern mit je 100.000 BRT (Bruttoregistertonnen) je Woche betragen. Die Verteilung könnte zum Teil über die bestehenden Produktleitungen für Mineralöle erfolgen sowie mittels Schienenbahnen und den bestehenden Tankfahrzeugen. Da der bisherige Bedarf an Roh- und Mineralölen je nach Szenario deutlich größer ist als der künftige Bedarf an Power-to-Liquids (PtL), wird für Ethanol eine ausreichend verfügbare Infrastruktur unterstellt. Bei reinem Methanol entspricht der Bedarf der benötigten Infrastruktur derjenigen bei Ethanol. Aufgrund der unterschiedlichen Energiedichte würden allerdings bis zu 16 Tanker mit jeweils 100.000 BRT je Woche anlanden und gelöscht werden müssen. Jedoch können gemäß Europäischem Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) nicht die üblichen Tankbehältnisse, wie sie für Diesel und Benzin genutzt werden, zum Einsatz kommen. Eine Umrüstung wäre daher zwingend notwendig. Da Methanol ein wichtiges internationales Handelsgut ist, kann hier auf bestehende Schiffs- und Verteilinfrastruktur zurückgegriffen werden, die aber ausgeweitet werden müsste. Für die Verteilung zu den Tankstellen bedarf es aber sehr wahrscheinlich einer breiten Umrüstung entsprechend der Tankkodierung LB4H. Mittels Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) kann ein dem Rohöl vergleichbares Produkt erzeugt werden, welches mit diesem in beliebigem Verhältnis vermischt und transportiert werden kann. Somit wäre es möglich bei größeren im Ausland erzeugten Mengen diese per Öl-Pipeline nach Europa bzw. Deutschland zu befördern. Aufgrund der Vermischung fossiler und regenerativer Energieträger bedarf es einer bilanziellen Zuordnung beim Handel sowie eines entsprechenden Qualitäts- und ggf. Zertifikatehandels, um eine korrekte Zuordnung der Mengen sicherzustellen. Da beim synthetischen Rohöl einige Reinigungsschritte im herkömmlichen Raffinerieprozess entfallen können, wäre es langfristig günstig die Produktströme zu trennen und erst die Endprodukte zu mischen. Über die finalen Raffinierungsschritte lassen sich Ottokraftstoffe, Diesel, Kerosin und andere typische Raffinerieprodukte herstellen, die dann als Drop-In-Kraftstoff die bestehende Infrastruktur gleichwertig wie die heute genutzten Kraftstoffe nutzen können.

Erdgasinfrastruktur
Erdgasinfrastruktur umfasst neben dem Gasnetz auch Verdichter, Regel- und Messstellen sowie Gasspeicher. Die Länge des deutschen Gasleitungsnetzes beträgt im Jahr 2016 insgesamt ca. 479.000 km. Es gibt in Deutschland 49 Untertage- Gasspeicher an 39 Standorten. Diese können eine Kapazität von ca. 20 Mrd. m3 Arbeitsgas aufnehmen. Erdgas zählt zu den wichtigsten Importgütern. Eine wichtige Option zur Diversifizierung der Erdgasimporte und damit zur Verringerung von einseitigen Importabhängigkeiten stellen LNG (liquefied natural gas)-Importe dar. Von den strombasierten Gasen, welche die vorhandene Infrastruktur künftig nutzen sollen, werden hier Wasserstoff sowie Biomethan und synthetisches Erdgas (SNG) behandelt. Anders als synthetisches Erdgas und Biomethan unterscheidet sich Wasserstoff stark in seiner Gasbeschaffenheit gegenüber dem herkömmlichen fossilen Erdgas. Im Prinzip ist es möglich Wasserstoff dem Grundgas beizumischen; im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die bestehende Erdgasinfrastruktur weitgehend für ca. 10 Vol.-% H2 im Erdgas geeignet ist. Die Beimischung von H2 in Transportrohrleitungen wird als unkritisch eingeschätzt, man kann hier von einer H2- Beimischungsgrenze von bis zu 50 % ausgehen. Die geringe Energiedichte von Wasserstoff gegenüber Erdgas führt bei Zumischung von Wasserstoff zu einer geringeren prozentualen Transportkapazität von Transportleitungen genauso wie zu geringerer Gaseinspeicherkapazität von unterirdischen Kavernen- und Porenspeichern. Für beide Speichertypen muss außerdem untersucht werden, welche Werkstoffe, Bauteile und Zemente verwendet worden sind und inwiefern diese sich für Wasserstoff und Mischgas eignen. Die Brenngasspezifikationen von Gasturbinen stellen ebenfalls Ansprüche an den prozentualen Zumischgrad von Wasserstoff in das Grundgas. Die Eignung von Gasturbinen zur Verbrennung von Wasserstoff-Erdgasgemischen variiert hierbei je nach Turbine und Hersteller (zw. 1 und ca. 15 Vol.-% Wasserstoff). Ein wesentlicher Punkt hinsichtlich der Wasserstoffeinspeisung bzw. des Mischens mit Erdgas ist die Gasmessung (zur Brennwertbestimmung und Gasabrechnung). Die aktuell eingesetzten Prozess-Gaschromatographen (PGC) können den Wasserstoffanteil nicht genau genug messen. Folglich müssen die PGC nachgerüstet oder neue Gasmessgeräte installiert werden. Es wird davon ausgegangen, dass zukünftig ein nicht unerheblicher Teil des Wasserstoffs importiert wird. Hierzu wird der produzierte Wasserstoff vom Exporteur verflüssigt, entweder durch Druck und Kühlung oder als Fluid in einer chemischen Bindung, wobei es sich jeweils um einen energieintensiven Prozess handelt. Synthetisches Erdgas (SNG) kann aufgrund der ähnlichen verbrennungstechnischen und chemischen Eigenschaften ohne Probleme in die vorhandene Erdgasinfrastruktur eingespeist werden und vorhandene Erdgaskomponenten sowie Erdgasanwendungen können SNG nutzen. Biomethan weist je nach Substratbeschickung und Prozessführung eine unterschiedliche stoffliche Zusammensetzung auf (CH4- und CO2-Gehalt). Nach Entschweflung und Trocknung kann das Biomethan direkt als sogenanntes Zusatzgas in die Erdgasinfrastruktur eingespeist werden. Der Anteil am Gesamtgas kann erhöht werden, solange der Wobbe- Index des entstandenen Mischgases die vorgegebenen Grenzen nicht unterschreitet. Für L-Erdgas aus den Niederlanden beträgt die Untergrenze 11,0 kWh/m3 und für das H-Erdgas aus dem russischen Raum 13,6 kWh/m3. Alternativ kann vor der Einspeisung noch eine kostenintensive CO2-Abtrennung vorgenommen oder das anteilige CO2 mit Wasserstoff zu Methan aufbereitet werden. Dadurch kann das Biomethan eine Qualität erreichen, die es zum sogenannten Austauschgas macht, das in größeren Mengen einspeisefähig ist. Ob die bestehenden Gasnetzkapazitäten auch langfristig für Aufnahme, Transport/Transit, Verteilung und Abgabe ausreichen, hängt letztlich von einer Vielzahl an Faktoren ab. Maßgeblichen Einfluss haben die Entwicklungen der heimischen Gas- und Stromnachfrage sowie der Erzeugungskapazitäten für EE-Strom und strombasierte Gase (PtG). Je höher die „konventionelle“ Stromnachfrage ausfällt, desto weniger wird es inländische Produktionskapazitäten für strombasierte Brenn- und Kraftstoffe geben. Die Gasnachfrage ist dann stärker durch Importe zu decken. Je höher der Elektrifizierungsgrad des Gesamtsystems wird, desto geringer wird die Gasnachfrage ausfallen und desto eher wird das heutige Gasnetz auch in Zukunft ausreichen.

Quellen

Viebahn, P.; Zelt, O.; Fischedick, M.; Hildebrand, J.; Heib, S.; Becker, D.; Horst, J.; Wietschel, M.; Hirzel, S. (2018): Technologien für die Energiewende. Politikbericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Wuppertal, Karlsruhe, Saarbrücken.


Grundlage dieser Zusammenfassung: Horst, J; Merten, F., Kiefer, S. Taubitz, A. (2018): Technologiebericht 3.4 Nutzung von Erdgas- und Erdölinfrastrukturen und Raffinerien für strombasierte Brennstoffe.