Stromtransport und -verteilung

Definition des Technologiefeldes

Die Beschreibung des Technologiefeldes erfolgt anhand der Hauptkategorien Technologien zur Erhöhung der Aufnahme- bzw. Transportkapazität des Netzes und Technologien für einen kosteneffizienten und sicheren Netzbetrieb. Neben diesen Schwerpunktkategorien werden Fragen bezüglich des elektrischen Gesamtsystems, bestehend aus dem elektrischen Netz mit seinen Betriebsmitteln i. e. S. sowie den angeschlossenen Generatoren, Speichern und Lasten, adressiert.

Aktueller Stand der Technologie

Technologien zur Erhöhung der Aufnahme- bzw. Transportkapazität des Netzes

Hierzu zählen alle netztechnischen Komponenten und Betriebsmittel, die eine höhere Netzkapazität und/oder einen kosteneffizienteren Betrieb ermöglichen. Betriebsmittel werden (weiter)entwickelt, um eine bessere Auslastung und Überlastbarkeit zu realisieren, was am Beispiel des Leitungsmonitorings deutlich wird: In Freileitungsnetzen der 110-kV- und der 380-kV-Ebene ist Freileitungsmonitoring (FLM) heute Stand der Technik. So wird z. B. das Verfahren des „temporary loadings“ (Anpassung auf Grundlage von statistischen Wetterdaten) in der 110-kV-Ebene auf der Leitung Niebüll-Flensburg eingesetzt. Das „dynamic rating“ Verfahren auf Basis von online- Wetterdaten kommt zwischen Hamburg und Gießen in der 380-kV-Ebene zum Einsatz. Eingriffsmöglichkeiten, um die Systemsicherheit und Stabilität zu gewährleisten, werden aus Netzsicht beispielsweise durch Schaltanlagen, Transformatorstufensteller, Kompensationsanlagen und durch leistungselektronische Komponenten wie FACTS („flexible alternating current transmission system“) oder durch Veränderungen der Kraftwerkseinspeisungen (Blindleistung, Wirkleistungs-Redispatch) ermöglicht. FACTS Elemente bieten dabei eine deutlich höhere Flexibilität in Bezug auf die Regelbarkeit als die klassischen steuernden Betriebsmittel. Durch das Nachrüsten von FACTS-Elementen wird es häufig möglich, das Netz näher an seiner Belastungsgrenze und mit erhöhter Übertragungskapazität (bis zu 40 %) zu betreiben. Leistungselektronik ist u. a. bei Netzbetriebsmitteln für das Verteilungsnetz eine zukünftig interessante Option zur Verbesserung der Regelungsmöglichkeiten. Dazu gehören bspw. Static Synchronous Compensators (STATCOM), Leistungsregler (UPFC – Unified Power Flow Controller) und leistungselektronische Transformatoren (SST – Solid State Transformer). Des Weiteren ist langfristig ein zunehmender Aufbau hybrider AC/DC-Netzstrukturen im Verteilungsnetz in Diskussion. Der Aufbau von DC Netzstrukturen kann eine Vielzahl der Wandlungsprozesse im Netz vermeiden, wodurch Anlagenkosten und Wandlungsverluste reduziert werden können. Der SST kann zukünftig in hybriden AC/DC-Netzen ein zentrales Bauelement darstellen. Die konventionellen Leiterseile bestehen heute aus einer Kombination aus Stahl und Aluminium (ACSR: Aluminium Conductor Steel Reinforced). Neue hochtemperaturfähige Aluminiumlegierungen sowie neue Kernmaterialien mit verbesserten mechanischen Eigenschaften lassen höhere Betriebstemperaturen und damit eine erhöhte Strombelastbarkeit zu (bis zu 90 % gegenüber konventionellen Seilen). Auch die Supraleitertechnologie wird derzeit für die Anwendung in Energienetzen weiterentwickelt und erprobt.

 

Technologien für einen sicheren Netzbetrieb

Diese umfassen alle netzplanerischen und netzbetrieblichen Aspekte, die einen sicheren Netzbetrieb ermöglichen. Den Rahmen netzplanerischer Entscheidungen bilden ökonomische, regulatorische und qualitative Vorgaben. Gesetzliche Vorgaben finden sich u. a. im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Zu den Qualitätskriterien gehören bspw. Vorgaben bzgl. Spannungsqualität (DIN EN 50160). Die Netzplanung greift auf Planungsgrundsätze zurück und berücksichtigt relevante Teilbereiche der Netzbetriebsführung. Durch die Integration neuer Netzbetriebsverfahren können die stromnetzrelevante Wirk- und Blindleistung sowie die Spannung beeinflusst werden, und damit auch die Erreichung der planungsrelevanten Schwellwerte z. B. für Spannung und Auslastung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die stabilitätsgeprüfte Netzplanung, die den steigenden Bedarf nach Prüfung und ggf. Aktualisierung von Reglerparametern unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Reglern von Netzbetriebsmitteln und Kundenanlagen betrachtet. Der Grad der Einbindung der Verteilungsnetzbetreiber in die Erbringung von Systemdienstleistungen variiert von Forschungsstadium (z. B. Momentanreserve) bis Stand der Technik (z. B. Einspeisemanagement, Netzanalyse und Monitoring). Auch die Bereitstellung von Systemdienstleistungen durch beeinflussbare Kundenanlagen hat noch ein umfangreiches Entwicklungspotenzial. Systemdienstleistungen innerhalb des Verteilungsnetzes und für das Übertragungsnetz erfordern eine Weiterentwicklung der aktuellen IKT-Infrastruktur. Diskutiert wird auch ein zellularer, selbst-organisierender Ansatz. Eine weitergehende Ausprägung stellt hier der Micro-Grid-Ansatz dar, bei dem Verteilungsnetzabschnitte sich zumindest zeitweise autark versorgen können. Die Netzregelung stützt sich heute im Wesentlichen auf konventionelle Großkraftwerke mit Synchrongeneratoren, die wesentliche Beiträge zur Systemstabilität erbringen. Es werden jedoch zunehmend Stromerzeugungsanlagen eingesetzt, welche überwiegend mit Stromrichtern an das Netz gekoppelt sind und bisher hauptsächlich in die unteren Spannungsebenen einspeisen. Für elektrische Energieversorgungssysteme mit einem geringen Teil an konventionellen Erzeugungsanlagen mit Synchrongeneratoren müssen die Netzreglung, aber auch der Netzschutz weiterentwickelt werden. Stromrichter-gekoppelte Anlagen stellen heute noch keine Momentanreserve (zur Frequenzhaltung) im Verbundnetz bereit. Jedoch können auch Wechselrichter Momentanreserve bereitstellen, z. B. wenn sie als netzbildende, spannungsstellende Einheiten konzipiert sind. Diese werden heute üblicherweise in Inselnetzen eingesetzt und sind nicht für den Verbundnetzbetrieb optimiert. Es existieren aber Ansätze, die explizit auf eine Nachbildung des Synchronmaschinenverhaltens abzielen und damit prinzipiell für einen Einsatz im Verbundnetz geeignet erscheinen.

Quellen

Viebahn, P.; Zelt, O.; Fischedick, M.; Hildebrand, J.; Heib, S.; Becker, D.; Horst, J.; Wietschel, M.; Hirzel, S. (2018): Technologien für die Energiewende. Politikbericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Wuppertal, Karlsruhe, Saarbrücken.


Grundlage dieser Zusammenfassung: Becker, H.; Braun, M.; Degner, T.; Heckmann, W.; Kämpf, E.; Löwer, L.; Mende, D.; Strauß, P.; Stock, S. (2017): Technologiebericht 3.1 Stromtransport und -verteilung.