Tiefengeothermie

Definition des Technologiefeldes

Mit der im Erdinneren gespeicherten Wärme erschließt die Geothermie eine kontinuierlich verfügbare und regulierbare Energiequelle. Dabei wird Wärmeenergie mit einem Trägerfluid über Bohrungen zur Erdoberfläche gefördert und dort direkt oder nach Änderung des Temperaturniveaus flexibel für die Wärme-, Kälte- oder Stromerzeugung bereitgestellt. Die Technologien zur Nutzung der Tiefengeothermie erfordern in der Regel jeweils mindestens eine Förder- und eine Schluckbohrung, die bedarfsgerecht Energie mit ausreichender Temperatur aus einer tiefen Erdwärmelagerstätte erschließt. Durch die Förderbohrung wird das heiße Thermalwasser an die Oberfläche transportiert, dort die Energie in der Regel mit einem Wärmeübertrager an den jeweiligen Abnehmer weitergegeben und das ausgekühlte Wasser über die Schluckbohrung in die Lagerstätte zurückgeführt. Die Nutzungsmöglichkeiten geothermischer Energiequellen (für den Temperaturbereich >20 °C) sind wesentlich abhängig von den geologischen Standorteigenschaften. Bei den in Deutschland verfügbaren geothermischen Lagerstätten handelt es sich um heiße Tiefenwässer führende Schichten (Hydrothermale Systeme) und um in Tiefengesteinen gespeicherte Wärme (Petrothermale Systeme) ohne oder mit begrenzter Wasserführung. Die Wärmegewinnung aus hydrothermalen Niedertemperaturlagerstätten (<100 °C) zählt in Deutschland zu den traditionellen Nutzungsformen, z. B. zur Beheizung von Gebäuden und Schwimmbädern oder zur Bereitstellung von Prozesswärme für die Industrie. Zum überwiegenden Teil existieren Lagerstätten mit Übergängen von hydro- zu petrothermalen Systemen, die mit Hilfe des sogenannten Enhanced-Geothermal-Systems-(EGS)-Konzepts wirtschaftlich genutzt werden. Für den Fall, dass die Bohrungen keine ausreichenden Fließraten der eingesetzten Fluide zulassen, wurden Stimulationsmaßnahmen entwickelt. Stimulation bezeichnet die Erhöhung der Permeabilität des geothermischen Reservoirs durch geeignete mechanische (z. B. hydraulische Stimulation), chemische (z. B. Säuerung) oder thermische Maßnahmen (z. B. Kaltwasserinjektion). Erst bei Bohrtiefen von in der Regel über 1.000 m sind im Untergrund Temperaturen größer 50 °C zu erwarten, sodass Heizwärme direkt über einen Wärmeübertrager ausgekoppelt werden kann. Einen Sonderfall der tiefen Erdwärmenutzung bilden tiefe Erdwärmesonden. Eine Erdwärmesonde ist eine geschlossene Bohrung, aus der ausschließlich konduktiv zugeführte Wärme aus dem Erdreich gefördert wird. Wegen ihrer geringen Effizienz und Wirtschaftlichkeit werden tiefe Erdwärmesonden nur in Ausnahmefällen eingesetzt.

Aktueller Stand der Technologie

In der Tiefengeothermie wurden in jüngerer Vergangenheit wichtige Fortschritte erzielt, z. B. in der Erkundung von Reservoiren, wodurch es heute möglich ist, verschiedene Standorte für die Bereitstellung von Wärme und/oder Strom erfolgreich zu erschließen. Die Entwicklung von Projekten zur Nutzung geothermischer Systeme für die Wärmebereitstellung ist im Wesentlichen an vier Kriterien geknüpft: (1) es müssen nachweislich geeignete geologische Bedingungen vorhanden sein; (2) es besteht ein ausreichender und langfristig planbarer Wärmeabsatz sowie die Möglichkeit zum Anschluss an ein Wärmeverteilnetz; (3) das Fündigkeitsrisiko ist betriebswirtschaftlich tragbar und die Projektfinanzierung ist mit den hohen Anfangsinvestitionen, der langen Umsetzungsdauer und der langen Projektlaufzeit darstellbar; (4) es kann die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung gewonnen werden. Gemessen an diesen Kriterien bestehen gegenwärtig insbesondere im Süddeutschen Molassebecken im Großraum München gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Projektentwicklung. Im Oberrheingraben, welcher trotz eines erheblichen Potenzials bislang nur über eine geringe Anzahl von tiefengeothermischen Anlagen verfügt, ist die Akzeptanz der Bevölkerung und der Entscheidungsträger eher verhalten und der Zugang zu einer geeigneten Wärmeinfrastruktur (Wärmenachfrage und Verteilnetz) schwierig. Das Norddeutsche Becken, welches prinzipiell über das größte Potenzial verfügt, ist bislang nur durch einzelne Anlagen für die Wärmebereitstellung erschlossen. Neben der lokalen Nutzung der im Thermalwasser enthaltenen Wärme beispielsweise in Heilbädern und zur Gebäudeheizung (im Sinne von Nahwärme) stellt die Belieferung von Fernwärmenetzen heute die vorrangige Nutzung tiefer geothermischer Reservoire dar. Die Nutzung der Thermalwasserwärme zur Wandlung in Strom wird derzeit an acht Standorten verfolgt, wobei überwiegend ein- und zweistufige Organic- Rankine-Cycle (ORC) Kraftwerke zum Einsatz kommen. Die Stromerzeugung stellt am Großteil der Standorte eine Ergänzung zur Wärmebereitstellung dar. Eine reine Stromerzeugung ist bislang nur an drei Standorten realisiert. Neben der Nutzung der im Untergrund natürlich vorhandenen Wärme, ist die Speicherung von Wärme/Kälte in sogenannten Aquiferspeichern (Porenspeicher in Gesteinsschichten, aus denen das Grundwasser durch eingepresstes Erdgas verdrängt wurde) eine weitere Anwendungsoption geothermischer Systeme. Da Aquiferspeicher mit Kapazitäten von bis zu 10 GWh ausgeführt werden können, ist eine saisonale Speicherung thermischer Energie möglich. Die Nutzung von Aquiferspeichern zur Bereitstellung von Wärme oder Kälte ist insbesondere in Ballungsgebieten von Interesse, da geeignete Abnehmerstrukturen überwiegend in größeren Städten zu finden sind. Aquiferspeicher sind in Deutschland bislang erst an drei Standorten realisiert. Bei den bislang erprobten tiefengeothermischen Anlagen handelt es sich überwiegend um hydrothermale Systeme, die keine Stimulationsmaßnahmen erfordern und bereits die Kommerzialisierung erreicht haben (TRL 7-9). Daneben existieren hydrothermale Systeme, deren Wirtschaftlichkeit nur durch EGS erreichbar ist; ihre technologische Reife entspricht gegenwärtig dem Entwicklungsstadium Demonstration (TRL 6-7). Petrothermale Systeme, die in Deutschland das größte geothermische Potenzial ausmachen und ausschließlich als EGS erschlossen werden können, befinden sich national noch in der Technologieentwicklung (TRL 4). Die Aquiferspeicherung hat einen fortgeschrittenen Entwicklungsstand erreicht (Technologieentwicklungsstadium TLR 7-9), sodass vorrangige weitere Entwicklungsaufgaben im Bereich der System- und Betriebsoptimierung liegen

Weitere Links und Software

  • Forschungsverbund Erneuerbare Energie – Geothermie (Link)
  • Bibliothek Geothermie – Bundesverband Geothermie (Link)

Quellen

Viebahn, P.; Zelt, O.; Fischedick, M.; Hildebrand, J.; Heib, S.; Becker, D.; Horst, J.; Wietschel, M.; Hirzel, S. (2018): Technologien für die Energiewende. Politikbericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Wuppertal, Karlsruhe, Saarbrücken.

Grundlage dieser Zusammenfassung: Heumann, A.; Huenges, E. (2017): Technologiebericht 1.2 Tiefengeothermie.